Liefern Online-Tools zuverlässige Risikochecks?

Online-Tools zur Bestimmung des eigenen Risikoprofils und zur Identifikation von geeigneten Anlageinstrumenten boomen. Sie sind für eine Ersteinschätzung hilfreich, stossen jedoch an Grenzen.

Liefern Online-Tools zuverlässige Risikochecks?

Neue Fintechs mit rein digitalen Geschäftsmodellen haben die Finanzdienstleistungsindustrie gehörig aufgemischt. Auch traditionelle Banken und Versicherer bieten - getrieben von sich rasch ändernden Kundenbedürfnissen - immer mehr digitale Produkte und Dienstleistungen an. Unterstützt von benutzerfreundlichen Apps ist das Onboarding bei solchen Investitionsplattformen und Onlineportalen meist einfach und unkompliziert.

Die meisten Anbieter stellen auch Online-Risikochecks zur Verfügung, mit denen Kundinnen und Kunden ihren eigenen Risikotyp ermitteln können. Anhand dieses Risikoprofils erhalten sie Vorschläge für geeignete Investitionsprodukte oder Anlagestrategien. Doch können Online-Tools die persönliche Risikofähigkeit wirklich eruieren und eine persönliche Beratung ersetzen? Besteht nicht die Gefahr, dass Investierende ihre Finanzlage und ihre künftigen Bedürfnisse nicht genügend berücksichtigen respektive die Risiken der gewählten Anlageprodukte unterschätzen?

Diversifikationsvorteile nutzen

Sowohl bei Banken als auch bei Online-Portalen konzentrieren sich die Fragen des Risikochecks typischerweise auf zwei Bereiche: das Finanzwissen und das Risikoprofil der Nutzerinnen und Nutzer. Das Online-Tool fragt den finanziellen Hintergrund, das Risikobewusstsein und die Investitionsziele der Benutzenden ab. Es kann auf Grundlage dieser Informationen einen guten (theoretischen) Überblick geben, welche Art von Investitionen geeignet sein könnte und welche Risiken die Person bereit ist einzugehen.

Für die Auswahl einzelner Titel oder Anlageprodukte können direkt die Antworten und Empfehlungen aus den Fragebögen berücksichtigt werden. Doch im Portfoliokontext ist dies nicht ganz so linear, und die Kunst besteht darin, die Ergebnisse des Online-Checks in ein Portfolio umzusetzen.

Portfolios profitieren kurz- und langfristig von Diversifikation und weisen üblicherweise ein tieferes Risiko aus als die Summe der Risiken der Einzeltitel. Deshalb kann es auch sinnvoll sein, einzelne risikoreichere Produkte - die der Fragebogen ausschliesst - in ein Portfolio aufzunehmen. Empfiehlt der Online-Check zum Beispiel ein niedriges Risikoprofil, kann es sein, dass nur die Anlageklasse Obligationen diesem Profil entspricht. Ein Risiko-Rendite-Vergleich würde jedoch zeigen, dass ein reines Obligationenportfolio im Vergleich zu einem diversifizierten Portfolio suboptimale Eigenschaften aufweist.

Standardisierte Strategien

Um dieses Problem zu adressieren, bieten Banken online auch bereits diversifizierte Modelportfolios mit unterschiedlichen Risikoprofilen an. Üblich sind die fünf Anlagestrategien von konservativ über ausgewogen zu chancenorientiert, wobei der Aktienanteil der Anlagelösung mit zunehmender Risikofreude oder -fähigkeit steigt.

In Realität dürften die Investierenden für ihre Portfoliobausteine jedoch nicht nur ein Risikoprofil und einen Anlagehorizont wünschen - und auch wer insgesamt eine längerfristig eher vorsichtige, auf Kapitalerhalt setzende Anlagestrategie verfolgt, möchte vielleicht kurzfristig risikoreichere Anlagechancen wahrnehmen. Dies könnten zum Beispiel Kryptoanlagen oder Aktien mit einem hohen Beta sein. Solche Präferenzen können in einem Anlagecheck nicht vollständig erfasst werden.

Ohne Finanzwissen und Erfahrung geht es auch online nicht

Online-Fragebögen zum Finanzwissen und zum Risikoprofil sind nützlich, wenn es um eine erste Einschätzung geht. Sie helfen Investierenden, sich über die eigenen Ziele bewusst zu werden und zu erkennen, was mit welchem Risiko und in welchem Zeithorizont erreichbar ist. Online-Risikochecks liefern jedoch immer nur eine grobe Einschätzung der Risikofähigkeit des Anlegers - und Faktoren, die das Tool nicht erfasst, wie z.B. persönliche Umstände oder die aktuelle Marktlage, können ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Entscheidung spielen, wie viel Risiko eine Investorin eingehen sollte.

Bei einem geringeren Wissenstand oder wenig Investitionserfahrung ist es ratsam, Anlageentscheidungen und Themen, die nicht durch den Fragebogen abgedeckt werden, mit einem professionellen Berater zu besprechen. Gerade grössere Investitionen sollten immer in Zusammenhang mit einer ganzheitliche Finanzbetrachtung erfolgen. Für Personen mit Finanzwissen, Anlageerfahrung und digitaler Affinität können Online-Tools jedoch ein gutes und einfaches Hilfsmittel sein, um Investitionsentscheide zu treffen.

Autorinnen: Luba Schönig und Tonia Zimmermann, Gründerinnen von UMushroom

Ursprünglich veröffentlicht bei Finanzen.ch

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