Von der Credit Suisse zum eigenen Fintech: „Oft mussten wir uns anhören – die zwei sind Träumer!“

Von der Festanstellung zum eigenen Fintech? Diesen Sprung haben die Gründerinnen von Umushroom gewagt. Was Luba Schönig und Tonia Zimmermann mit ihrer Plattform bewirken möchten, welchen Herausforderungen sie sich stellen mussten und was das alles mit Pilzen zu tun hat, erzählen die Ex-Managerinnen von der Credit Suisse im Interview.
DAS INVESTMENT Academy: Frau Zimmermann, Frau Schöning, sie haben vor drei Jahren die Plattform für finanzielle Bildung Umushroom gegründet. Davor waren Sie seit vielen Jahren in der Finanzbranche tätig. Was hat Sie dazu inspiriert, Ihre Karriere im Bankwesen aufzugeben und sich selbständig zu machen?
Tonia Zimmermann: Wir haben alle Seiten einer Bank kennengelernt. Und vor allem in der Beratung ist uns aufgefallen, dass das ein oder andere kundenorientierter ablaufen könnte. Das war der Punkt, an dem wir uns gefragt haben: Wie müsste ein Tool aussehen, damit Menschen sich selbst helfen können?
Und dann?
Zimmermann: Zuerst haben wir versucht, unsere Idee neben dem Job aufzubauen. Dann haben wir gemerkt, dass es kaum möglich ist, neben einer 150-Prozent-Stelle noch ein Startup zu gründen. Das war ein Grund, weshalb wir uns dazu entschlossen haben, uns komplett Umushroom zu widmen.
Gab es einen konkreten Aha-Moment, der dazu geführt hat?
Luba Schönig: Ja, den gab es: Wir haben regelmäßig in unserem Freundeskreis herumgefragt: „Investiert ihr?“ – und waren verwundert, wie wenig Leute ihr Geld anlegen. Und bei denen, die es tun, war es erstaunlich, wie selbstverständlich sie die Verantwortung über ihr Vermögen in fremde Hände legen, ohne zu verstehen, was damit passiert. Die meisten denken es wäre zu kompliziert oder zu zeitaufwändig sich mit dem Vermögensaufbau zu beschäftigen.
Der Satz, der uns schlussendlich stutzig machte, war: „Ich bin ausgeliefert, es gibt ja nur die Banken und sonst nichts – was soll ich also machen?“
Daraus hat sich unsere Vision entwickelt: Menschen dabei zu helfen, ein Vermögen aufzubauen. Ende 2019 haben wir dann den Sprung ins kalte Wasser gewagt und Umushroom gegründet.
Und nach dem Sprung – was waren die größten Herausforderungen?
Schönig: Die erste Herausforderung war es, sich von der Festanstellung zu lösen. Wir hatten viele Gespräche mit Freunden, die uns fragten: „Echt jetzt? Diese Sicherheit wollt ihr aufgeben?“
Aber wenn man ehrlich ist, handelt es sich nur um eine Pseudo-Sicherheit. Denn auch Banken unterliegen vielen Veränderungen und vor allem bei der Credit Suisse hat man gesehen, wie schnell Arbeitsplätze auf der Kippe stehen können. Man sollte sich also bewusst sein, dass ein Arbeitgeber nicht immer Sicherheit bedeutet.
Die zweite Herausforderung war es dann, Investoren zu finden: In der Schweiz sind besonders B2B-Businessmodelle beliebt, deshalb haben wir lange damit geliebäugelt, uns ausschließlich auf den B2B-Bereich zu stützen. Aber dann dachten wir: Nein, wir sollten unserer Vision treu bleiben – und das Thema Finanzen jedem näherbringen. Häufig mussten wir uns dann anhören: „Die zwei sind Träumer!“
Was uns zu der dritten Herausforderung geführt hat: Sich treu zu bleiben und die Disziplin zu finden, jeden Tag aufzustehen und dafür zu kämpfen. Wir waren glücklicherweise sehr dickköpfig und haben schlussendlich einen passenden Investor gefunden.
Gab es denn auch etwas, was einfacher lief als Sie dachten?
Zimmermann: Was einfach war – was mich wirklich überrascht hat – das Team zusammenzusetzen. Wir sind derzeit 16 Leute, die Hälfte davon sitzt in Bulgarien und die andere Hälfte ist in Zürich.
Und was waren Ihre größten Ängste?
Schönig: Was lange ungewiss war: Ob wir eine Finanzierung bekommen. Und auch wenn es dem Klischee entspricht: Als Frau hat man es schwieriger, Investoren an Land zu ziehen – und das haben wir zu spüren bekommen. Die ersten zwei Jahre haben wir uns selbst finanziert, als wir dann einen Investor gefunden hatten, ist uns ein Stein vom Herzen gefallen.
Und was uns bis heute noch ein wenig Kopfzerbrechen bereitet: Wie kommen wir an Nutzer ran? Heutzutage kämpft man mit so vielen Anbietern um ein bisschen Aufmerksamkeit.
Nun, der Name Umushroom lässt auf jeden Fall nicht direkt an Finanzen denken, wie kamen Sie darauf?
Zimmermann: Das ist so gewollt. Uns war es wichtig, dass wir keinen Namen nehmen, der mit „Investment“ oder etwas Ähnlichem anfängt. Denn: die Finanzindustrie muss sich ändern. Und dementsprechend wollten wir auch einen Namen, der nicht mit der alten Welt in Verbindung steht. Beim Brainstormen, haben wir durch Zufall eine Doku auf Arte TV über das Königreich der Pilze gesehen. Dabei ging uns auf: Wir sind wie die Pilze beziehungsweise die Pilze sind wie wir!
Wieso das?
Zimmermann: Pilze gehörten zu den ersten Lebewesen auf unserem Planten und sind in dieser Zeit regelmäßig Symbiosen eingegangen, aus denen neue Ökosysteme hervorgingen. Alle Pilze sind miteinander verbunden und kommunizieren untereinander. Es gibt keinen Chef-Pilz, jeder trägt etwas bei und alle sind wichtig. Sie wachsen schnell und bringen aus dem Ruder gelaufene Systeme wieder ins Gleichgewicht.
Und genauso stellen wir uns das Finanzsystem vor: Wie ein Pilz – jeder soll etwas zum System beitragen und hat dann auch das Recht, etwas herauszunehmen.
Und wie hilft Umushroom den Menschen dabei?
Schönig: Wichtig ist, die Nutzer mit der Sprache der Finanzwelt vertraut zu machen. Deshalb versuchen wir, alles Schritt für Schritt zu übersetzen. Außerdem geht es auch darum, den Menschen bewusst zu machen:
Warum ist investieren sinnvoll?
Welche Risiken gibt es?
Welche Rendite kann man erwarten?
Und wie lange sollte man investieren?
Dafür bieten wir ein Testumfeld, Schulungen, aber auch den Austausch mit anderen Usern und die Möglichkeit Investments zu bewerten. Man kann also konkret bei jeder Wertanlage – egal ob Aktie, ETF oder Fonds – sehen:
Was denkt die Community von Usern auf Umushroom?
Was schreiben professionelle Medien?
Was erwarten Bankenanalysten?
Warum bilden Sie all diese Stimmungen ab?
Zimmermann: Während unserer Zeit bei der Bank stellten Kunden uns stets drei Fragen: Was ist die Meinung der Bank? Haben Sie etwas in der Zeitung gelesen? Und was machen andere Kunden? Deshalb war es uns wichtig, diese drei Fragen zu beantworten.
Was ist nun, wenn die Stimmungen auseinanderlaufen – beispielsweise wird auf Social Media ein Investment gehypt, während Bankanalysten es schlecht bewerten. Wie sollten Nutzer dann entscheiden?
Schönig: Das ist schwer zu beantworten und hängt von den eigenen Präferenzen ab. Wir ermutigen unsere Nutzer dazu, Entwicklungen zu beobachten und dadurch ihre eigenen Anleger-Instinkte zu trainieren.
Wenn nun aber ein Nutzer versuchen würde eine Stimmung auf Ihrer Plattform zu erzwingen und in diesem Zusammenhang falsche Bewertungen abgibt, könnten Sie das verhindern?
Zimmermann: Wir hatten diesbezüglich lange Diskussionen. Wir wollten zwar unbedingt Meinungen zu Investments erlauben, aber Stimmungsmache unterbinden. Was wir auf jeden Fall nicht wollten: endlose Timelines mit sinnlosen Kommentaren zu Aktien, mit vielen Emojis. Denn niemand hat die Zeit und das Interesse, das zu lesen. Es war uns wichtig, die Informationen für unsere User verständlich aufzubereiten.
Das Ergebnis: Nutzer können pro Investment einen Kommentar abgeben – auf 300 Zeichen begrenzt. Asset Manager können darauf antworten, aber der User kann dann nicht nochmal reagieren und andere Nutzer auch nicht.
Sie sagen, Asset Manager können auch mit Nutzern interagieren. Wie funktioniert das?
Zimmermann: Umushroom soll wie ein Katalysator funktionieren. Wir haben unsere Nutzer, denen wir helfen, zu investieren. Dann haben wir die Asset Manager, für die ist es oftmals schwierig ist, in den Distribution-Channel einer Bank hereinzukommen. Denn die Banken haben ihre Checkliste und wenn ein Asset Manager nicht perfekt passt, kommt er nicht in den Vertrieb. Und selbst die Großen, die es auf Empfehlungslisten schaffen, haben häufig Probleme, ihre Analysen durch die Bank hindurch an den Anleger zu kommunizieren.
Weshalb?
Zimmermann: Das war mir auch immer ein Rätsel – Asset Manager geben häufig super spannende Updates in die Bank hinein, aber diese kommen selten beim Investmentspezialisten und noch seltener beim Kunden an. Aber der Kunde stellt genau diese Fragen – und für den Investment-Advisor ist es dann sehr anstrengend, die Informationen zu beschaffen.
Deshalb wollen wir für Asset Manager sozusagen als Marketing-Channel fungieren.
Wenn ein Vermögensverwalter mit der Umushroom-Community kommunizieren möchte, muss er eine Lizenzgebühr zahlen. Der dritte Partner im Bunde sind dann die Banken und Broker – zu denen die Nutzer weitergeleitet werden, wenn sie aus der Testumgebung herauswollen und tatsächlich investieren möchten.
Und wenn es soweit ist, was sind dann Ihre drei wichtigsten Investmenttipps für Einsteiger?
Schönig: Es gibt drei Regeln, die ich für besonders wichtig halte:
So früh wie möglich anfangen und möglichst breit investieren: Beispielsweise in einen Europa-, einen Asien- und einen US-ETF.
Es gibt keinen perfekten Zeitpunkt, um anzufangen: Wenn man jedem Monat ein bisschen was zur Seite legt, dann gleicht sich das mit der Zeit aus. Egal ob die Kurse derzeit tief oder hoch sind.
Bereits ein kleiner Betrag ist ausreichend.
Und was man abseits davon nicht vergessen darf: Unser Geld hat auch eine Stimme. Man sollte sich bewusst sein, worein man investiert und was man dadurch unterstützt. Das können zum Beispiel Unternehmen oder auch Branchen sein, an die man glaubt.
Haben Sie diese drei Tipps bei Ihren Investmentanfängen berücksichtigt?
Zimmermann: Nein, nicht wirklich. Angefangen habe ich während dem Studium und das darf man echt nicht erzählen – ich habe fast nur Optionen gehandelt. Damals hatte ich nicht viel Geld, dafür Anfängerglück. Aber irgendwann merkt man, dass es nicht immer so läuft. Mit der Zeit habe ich dann strategischer investiert.
Aber selbst nach zwanzig Jahren in der Investmentindustrie fand ich es bis vor Umushroom mühsam, die richtigen Produkte für mich zu finden.
Was war Ihre größte Fehlentscheidung beim Investieren?
Zimmermann: Meine Investition in die Credit Suisse – ich habe die Aktie viel zu lange gehalten, weil ich es einfach nicht über mich gebracht habe, sie zu verkaufen. Irgendwann habe ich es dann getan – aber leider zu spät.
Über die Interviewten:
Tonia Zimmermann startete ihre Karriere in London bei JP Morgen und später Goldman Sachs in der Strukturierung von Derivaten. Ende 2007 stieß sie zur Credit Suisse. Anfänglich war Zimmermann zuständig für das Strukturierte-Produkte-Plattform-Team und somit verantwortlich für die Produkteselektion- und Angebot. 2015 hat Zimmermann die Führung der Anlagefondsspezialisten übernommen und wechselte 2016 and die Kundenfront. Sie war für vier Jahre im UHNWI-Bereich der Credit Suisse Schweiz verantwortlich für die Anlage- und Vermögensspezialisten. 2020 gründete sie mit Luba Schöning Umushroom.
Luba Schönig begann ihren Berufsweg bei Lehman Brothers im Bereich der strukturierten Produkte in Zürich. 2006 wechselte Schönig in das Team für strukturierte Produkte der Credit Suisse. Vom Anfang 2010 bis Ende 2014 war Schönig bei Solution Partners Group der Credit Suisse für UHNWI Investment Solutions für die Marktgruppe Osteuropa, Russland und Israel verantwortlich. Im Jahr 2015 wechselte Schönig zu Julius Bär und baute dort ein Spezialistenteam für strukturierte Anlage- und Kreditlösungen für sehr vermögende Kunden auf.
Text ursprünglich veröffentlicht auf dasinvestment.com .
10.07.2023
Hannah Ritzmann